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Welt am Sonntag, Samstag 11.5.2003, von GABRIELE THIELS

Die Kunst, Mutter zu sein
Für Kritiker und Männer bisher kein Thema. Eine Ausstellung zeigt, wie sich Künstlerinnen mit ihrer Rolle als Mutter auseinander setzen: Voller Energie und Humor

Pink ist ein Muss in diesem Sommer. Ebenso Rosendrucke und Punkte, Punkte, Punkte! Außerdem wird der Mini noch ein wenig kürzer, und - man trägt wieder Kind. Catherine Zeta-Jones nahm ihre Oscar-Trophäe noch kurz vor der Entbindung in Empfang, Claudia Schiffer hat einen Kaspar zur Welt gebracht und für die Single-Serie "Sex and the City" mussten die Drehbücher umgeschrieben werden, weil die halbe Belegschaft schwanger war. Ledig, weiblich sucht - das Credo der späten Neunziger ist definitiv vorbei.

Heute - am Muttertag - wird im Berliner Künstlerhaus Bethanien eine Art Mutter-Kunst-Schau eröffnet (bis 9. Juni), die den Trend auch für die Kulturszene adoptiert. Die Schau zeigt Arbeiten von Jenny Holzer und Ulrike Rosenbach über Annelies Strba bis zu Valie Export. Insgesamt 27 Künstlerinnen, bekannte und weniger bekannte. Bedingung ist nur, dass sie Kinder haben und das auch zum Thema ihrer Arbeiten machen.

"Doublebind" lautet der Titel der Ausstellung, "Zwickmühle" also, ein Begriff, der in der Populärpsychologie gern mit dem Beispiel "Berufstätige Mutter" erklärt wird. Das mag ein bisschen unsexy und weinerlich klingen. Es ist aber so ehrlich wie pragmatisch und gibt zugleich eine Ahnung davon, warum es zwar einerseits viele Bilder von Kindern gibt und die neuen Stars auf dem Kunstmarkt weiblich sind, andererseits aber Niki de Saint Phalle für Jean Tinguely und die Kunst ihre Familie verließ und Cindy Sherman nur einen Papagei hat. Künstlerinnen mit Kindern sind schlicht eine Rarität.

Umso kostbarer hat sich die Düsseldorfer Fotokünstlerin Judith Samen mit ihrem Sohn in ihrem "Lehrbild der Fauna" (1998) inszeniert. In altmeisterlicher Manier sitzen sie an einem Holztisch, das Kind auf dem Schoß der Mutter, beide über einen Wälzer gebeugt, der eher Bibel als Bilderbuch ist, vielleicht auch "Brehms Tierleben", weil das Foto von kleinen, lebensechten Tieraquarellen gerahmt wird. Wären beide nicht nackt, man dächte an ein Vermeer-Motiv oder an ein Andachtsbild mit umlaufender Heiligenvita. Die stille Größe der Mutterschaft wird zelebriert und zugleich ironisch unterlaufen. Und irgendwie scheint aus dem Idyll schon der ganze Hausaufgabenstress hervor, wenn der Kleine dann erst in der Schule ist. Hausaufgaben sind Mutters Sache.

"Ich kenne keine Künstler mit Kindern", sagt die Fotografin Eva Bertram in einem der Interviews, die die Ausstellungskuratorin Signe Theill mit nahezu allen beteiligten Künstlerinnen über deren Lebens- und Arbeitssituation geführt hat. "Ich kenne nur Väter mit Wochenend-Kindern." Im Alltag gibt es meist eine Mutter, die dem Mann den Rücken freihält - und selten selbst Künstlerin ist.

Picasso hatte vier Kinder und die auch gemalt, Ernst Fuchs prahlt mit seinen 16 Sprösslingen von sieben Frauen, Joseph Beuys war Familienvater und für Gerhard Richter musste die Verwandtschaft oft Modell stehen.

In der Kunst konnten Männer von jeher beides sein: Genie und Vater. Die Familie mag die Arbeit in manchen Fällen beflügelt haben, gestört hat sie sie nie. Dafür sorgten die Frauen, die früher höchstens Muse oder Geliebte sein durften, überhaupt erst spät an den Akademien zugelassen wurden und auch an den sonst so fortschrittlichen Kunstgewerbeschulen gern in die Textil- und Webklassen verbannt wurden.Die Kunst, Mutter zu sein (2)

So wundert es nicht, dass die Frankfurter Kunsttheoretikerin Isabelle Graw in ihrem Buch "Die bessere Hälfte. Künstlerinnen des 20. und 21. Jahrhunderts (DuMont 2003) die Aneignungsstrategien von Künstlerinnen innerhalb des Kunstbetriebs nur an solchen Frauen festmacht, die es im landläufigen Sinne geschafft haben. Keine von ihnen ist Mutter oder hat ihr Muttersein je künstlerisch zum Thema gemacht.

Vielleicht, weil das Künstlersein kein Beruf, sondern - bei allem Pathos - eine Berufung ist. Es fordert Verzicht und Radikalität, die oft genug nur mit Brotjobs finanziert werden kann, um das tägliche Auskommen zu sichern. Künstler waren darin, wirtschaftlich betrachtet, schon Ich-AGs, als das Wort noch gar nicht erfunden war. Doch Mobilität und Flexibilität sind Voraussetzungen, die Kinder ausschließen. Oder belasten.

Die ungarische Regisseurin und Videokünstlerin Marian Kiss hat das Pausenbrot-Trauma ihrer Kinder in eine Installation verwandelt. Während ihrer Schulzeit litten die an Broten, die eine Künstlerin schuf, die aber keine Kunstwerke waren. Schief geschnitten, beschmiert mit viel zu viel oder viel zu wenig Butter. Und dazu noch belegt mit einem hart gekochten, unzerteilten Ei oder einem Viertelpfund Gouda am Stück. Sie gaben den Kindern schon in der Schule das zweifelhafte Gefühl, anders zu sein. Die haben es gehasst und dies ihrer Mutter später gut gelaunt zu Protokoll gegeben. Das Videoband ist jetzt zusammen mit den Brotattrappen in der Ausstellung zu sehen - ein ebenso persönliches wie plakatives Resumée der Erfahrung, dass zugleich Mutter- und Künstlerinsein fast zwangsläufig im Chaos endet. Das macht die Ausstellung deutlich: Heute schöpfen Künstlerinnen eher aus der eigenen Biografie, als sich bewusst in einen feministischen Kontext zu stellen. Dagegen war die österreichische Performancekünstlerin Valie Export in den Sechzigern noch mit einem Laib Brot vor dem Bauch durch die Stadt gezogen und hatte Passanten angeboten, Scheiben davon abzuschneiden, um so - in der Diktion der Zeit - "das Private politisch zu machen".

Manchmal sind es gerade die privaten und vielfach selbstironischen Kommentare der Künstlerinnen, die das allzu dröge Konzept der Ausstellung durchkreuzen.

Das Berliner Künstlerehepaar "(e).Twin Gabriel" zeigt den Tryptichon "!20022002!", dessen Mitte der Vater Ulf Wrede in gelber Jogginghose und Sweat-Shirt leicht orientierungs- und völlig nutzlos einnimmt - während auf den Seitenflügeln seine Frau Else Gabriel einmal mit der Tochter als ihrer eigenen Miniaturausgabe und einmal verkleidet als Mann mit dem Sohn als Doppelgänger zu sehen ist. In dieser Familie übernimmt die Frau alle Rollen, der Mann bleibt hilflos. Und doch dreht sich alles um ihn.

Im wirklichen Leben teilt sich das Paar die Arbeit und den Alltag. Weshalb heute Nachmittag auch beide mit den Kindern zur Eröffnung kommen können. Der Termin ist reiner Zufall. Am Mittwochabend, dem ursprünglichen Termin, hätten alle Babysitter gebraucht.

Infos unter: www.doublebind.de

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